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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 22 U 157/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 459 II a.F.
ZPO § 136 IV
ZPO § 138 III
ZPO § 156
ZPO § 273 1 Nr. 4
ZPO § 282 I
ZPO § 296a
ZPO § 448
ZPO § 529 I Nr. 2
ZPO § 531 II
ZPO § 531 II Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 157/02 OLG Hamm

Verkündet am 31. März 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann, den Richter am Oberlandesgericht Aschenbach und den Richter am Landgericht Dr. Breulmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 23. August 2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20,000,00 €.

Gründe:

(gem. § 540 ZPO)

I

Der Kläger erwarb von der Beklagten durch notariellen Kaufvertrag vom 08.09.2000 ein Hausgrundstück unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel. Gemäß § 6 II des Kaufvertrages hatte sich die Beklagte verpflichtet, noch vor Fälligkeit des Kaufpreises die Mittelpfette im Dachstuhl zu erneuern.

Mit der Behauptung, die Beklagte bzw. ihr Ehemann habe im Notartermin auf entsprechende Frage einen über die Mittelpfette hinausgehenden Schädlingsbefall wider besseres Wissen verneint, hat der Kläger Ersatz i.H.v. insgesamt 6.398,69 € wegen der ihm zur Beseitigung eines Hausbockbefalls entstandenen Kosten (2.663,00 €) sowie noch anstehender Aufwendungen für den Austausch von Sparren (3.735,69 €) nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) abgewiesen mit der Begründung, eine Zusicherung i.S.d. § 459 II BGB a.F. sei nicht abgegeben worden und ein arglistiges Verschweigen von Mängeln sei nicht gegeben, da der Kläger unrichtige Erklärungen des Ehemannes der Beklagten nicht bewiesen habe.

Wegen der Begründung im einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, die Beklagte einschließlich der Zeugen hätten sich vor dem Landgericht mit Nichtwissen erklärt. Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob nicht der Vortrag des Klägers unstreitig sei, jedenfalls aber der Vortrag des Klägers zur Überzeugungsbildung ausreiche, mindestens aber eine Parteivernehmung des Klägers gem. § 448 ZPO erfordert hätte.

Das Landgericht hätte die schon angeordnete Vernehmung des Zeugen (Ehemann der Beklagten) durchführen oder zumindest einen Hinweis geben müssen, dass es eine Vernehmung des Zeugen nicht mehr beabsichtige. Da dies nicht geschehen sei, hätte das Landgericht dem Beweisantrag auf Vernehmung dieses Zeugen vom 12.08.2002 nachkommen müssen.

Durch die Vernehmung des Zeugen ... werde sich herausstellen, dass der Zeuge ... als Zimmermann ausgesprochen fachkundig sei und den Schädlingsbefall aufgrund verschiedener Arbeiten am Objekt gekannt habe. Der Hausbockbefall sei dem verstorbenen Vorbesitzer bekannt gewesen, wie der Kläger zwischenzeitlich von den Nachbarn erfahren habe. Da der Zeuge ... seit Jahrzehnten alle Holzarbeiten am Haus ausgeführt habe, müsse mit ihm über den Befall gesprochen worden sein, ganz abgesehen davon, dass er ihn aufgrund seiner Fachkenntnis erkannt habe.

Der Kläger beantragt abändernd,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.398,69 € nebst 5%-Punkten über dem Basiszins seit dem 25.04.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet das neue Vorbringen des Klägers, das sie zudem für nicht zulassungsfähig hält.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die angefochtene Entscheidung lässt Fehler in der Tatsachenfeststellung oder Rechtsanwendung nicht erkennen (§ 529 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Aussage der Zeugen unter Darlegung der für seine Überzeugungsbildung wesentlichen Umstände in zulässiger Weise fehlerfrei gewürdigt und als Ergebnis die vom Kläger aufgestellte Behauptung als nicht bewiesen erachtet. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder ein Übergehen von Umständen, die ein anderes Beweisergebnis nahe legen, ist nicht ersichtlich und mit der Berufung auch nicht in erheblicher Weise vorgetragen. Die Berufung zeigt insoweit Fehler in der Tatsachenfeststellung oder Rechtsanwendung durch das Landgericht, die deshalb eine Abänderung des angefochtenen Urteils oder eine erneute Beweisaufnahme rechtfertigen, nicht auf.

a)

Der Vortrag des Klägers zu dem Geschehen im Beurkundungstermin musste vom Landgericht nicht als unstreitig behandelt werden.

Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete Nachfrage zur Mittelpfette im Notartermin - bei dem sie zugegen war - und die angeblichen Erklärungen ihres Ehemannes hierzu, nicht in unzulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten (§ 138 IV ZPO), so dass von einer Geständnisfiktion gem. § 138 III ZPO nicht auszugehen war (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 138 Rn. 14). Sie hat vielmehr die diesbezügliche Behauptung des Klägers in der Klageerwiderung ausdrücklich bestritten (GA 28).

Sie hat dieses ausdrückliche Bestreiten bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht nicht in ein Bestreiten mit Nichtwissen geändert.

Mit ihrer Erklärung im Rahmen der persönlichen Anhörung, sie könne sich nicht daran erinnern, dass anlässlich des Notartermins über die Mittelpfette noch einmal gesprochen worden wäre, hat sie Angaben zu ihrer eigenen Wahrnehmung im Notartermin und ihrer Erinnerung daran gemacht, nicht aber ihren prozessualen Vortrag geändert.

Ihr prozessuales Bestreiten war auf dem Hintergrund ihrer persönlichen Erinnerung auch nicht als unzulässig, weil ins Blaue hinein erfolgt, zu bewerten.

Zulässig und hier naheliegend ist es, dass sie bei fehlender eigener Erinnerung zur prozessualen Verteidigung auf das Wissen und die Erinnerung von an dem Vertragsschluss beteiligten Personen - insbesondere ihres Ehemannes - zurückgreift und dementsprechend vorträgt und bestreitet.

b)

Das Landgericht war aufgrund des Beweisergebnisses nicht gehalten, den Kläger nach § 448 ZPO von Amts wegen als Partei zu vernehmen.

Voraussetzung hierfür ist, dass sich aus der bisherigen Beweisaufnahme eine gewisse, nicht notwendig hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung ergibt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 448 Rn. 4). Dies war nicht der Fall. Die vernommenen Zeugen hatten keine konkrete Erinnerung. Soweit sie sich vage erinnern konnten, haben sie den behaupteten Gesprächsinhalt eher ausgeschlossen.

2.

Neues Vorbringen des Klägers konnte gem. §§ 529 I Nr. 2, 531 II ZPO nicht zugelassen werden.

a)

Der Beweisantritt zur Vernehmung des Ehemannes der Beklagten ist neu, da er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht gestellt wurde.

(1)

Der Umstand, dass er in erster Instanz nicht gestellt wurde, beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im ersten Rechtszug (§ 531 II 1 Nr. 2 ZPO).

Das Landgericht war nicht verpflichtet, den Ehemann der Beklagten zu vernehmen.

Den Zeugen hatte der beweispflichtige Kläger nicht benannt. Auf ihn hatte sich die Beklagte gegenbeweislich berufen. Damit bedurfte es seiner Einvernahme nur, wenn die vom Kläger benannten Zeugen dessen Behauptung bestätigt hätten. Dies war - wie oben dargelegt - nicht der Fall.

Anderes gilt auch dann nicht, wenn das Landgericht die Ladung des Zeugen gem. § 273 1 Nr. 4 ZPO angeordnet hat. Die Ladung erfolgt aufgrund dieser Vorschrift nur vorbereitend. Sie dient der Verfahrensökonomie und soll Fortsetzungstermine, die bei getrennter Ladung von beweislich und gegenbeweislich benannten Zeugen notwendig wären, vermeiden. Eine Bindung des Gerichts ist damit nicht verbunden.

Das Landgericht war nicht verpflichtet, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis oder Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bevor es von einer Vernehmung des Zeugen absah. Derartige Pflichten bestanden schon deshalb nicht, weil es sich nicht um ein Beweismittel des Klägers handelte, er also von der Nichtvernehmung nicht betroffen war.

Das Landgericht war auch nicht verpflichtet, auf einen entsprechenden Beweisantritt des Klägers hinzuwirken. Eine derartige Pflicht des Gerichts wird nur angenommen, wenn der unterbliebene Beweisantritt offensichtlich auf einem Versehen oder auf einer erkennbar falschen Beurteilung der Rechtslage (z.B. Beweislast) beruht (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rn. 7).

Ein offensichtliches Versehen ist nicht ersichtlich und nicht dargelegt. Es ist vielmehr naheliegend, dass sich der Kläger auf den Zeugen deshalb nicht berufen hat, weil er ihn im Lager der Beklagten wähnte und eine für ihn ungünstige Aussage erwartete. Für ein Verkennen der Rechtslage ist nichts ersichtlich. Eine Fehleinschätzung des Beweisergebnisses wird nicht vorgetragen.

Das Landgericht war nicht verpflichtet, dem Beweisantritt in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.08.2002 nachzukommen.

Die mündliche Verhandlung war gem. § 136 IV ZPO am 09.08.2002 durch Bestimmung eines Verkündungstermins geschlossen worden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., § 136 Rn. 4). Ein neuer Beweisantritt konnte danach gem. § 296a ZPO grundsätzlich nicht vorgebracht werden.

Eine Wiedereröffnung der Verhandlung gem. § 156 ZPO hat das Landgericht ermessensfehlerfrei abgelehnt. Verfahrensfehler, die hierzu hätten Anlass geben können, lagen - wie bereits dargelegt - nicht vor.

(2)

Der Beweisantritt ist nicht gem. § 531 II Nr. 3 ZPO zuzulassen.

Den Antrag auf Vernehmung des Zeugen hätte der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung stellen können, nachdem die von ihm benannten Zeugen seine Behauptungen nicht bestätigt hatten und ausweislich des Sitzungsprotokolls die Sach- und Rechtslage sowie das weitere Beweisergebnis erörtert worden war. Dies hat er nicht getan. Er hat vielmehr abschließend zur Sache und zum Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt.

b)

Der neue Vortrag des Klägers, dass der Ehemann der Klägerin den Schädlingsbefall aufgrund dessen gekannt habe, dass er jahrzehntelang alle Holzarbeiten am Objekt ausgeführt habe und über den Hausbockbefall durch die Eigentümer informiert gewesen sei, die mit ihm über den Befall gesprochen haben müssten, ist nur unter den Voraussetzungen des § 531 II Nr. 3 ZPO zuzulassen, die jedoch nicht vorliegen.

Der Kläger trägt selbst vor, dass er bereits in erster Instanz von Hausbockbefall in der Nachbarschaft erfahren hatte. Angesichts der dem Kläger bekannten verwandtschaftlichen Verhältnisse und des Eigentumserwerbs der Beklagten im Erbgang lag es nahe, die jetzt vom Kläger durchgeführten Nachforschungen schon in erster Instanz vorzunehmen, um so seinen prozessualen Pflichten nach § 282 I ZPO zu genügen. Anlass zu entsprechenden Nachforschungen hatte der Kläger nicht erst nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Er wusste schon aus der Klageerwiderung, dass die Beklagte eine Kenntnis des Mangels und die vom Kläger behaupteten Erklärungen im Notartermin bestritt. Er musste damit rechnen, dass seine Beweisführung mit den benannten Beweismitteln nicht gelingen könnte und daher der Erfolg seiner Klage, die allein auf dem Vorwurf einer Erklärung ins Blaue hinein gründete, gefährdet war, zumal sich die Beklagte auch gegenbeweislich auf die vom Kläger benannten Zeugen und zusätzlich auf das Zeugnis ihres Ehemannes berief.

Unterlässt der Kläger Nachforschungen, die sein Klagebegehren stützen können, obwohl er aufgrund des gegnerischen Vorbringens und der angebotenen Gegenbeweise erkennen konnte, dass der Erfolg seiner Klage gefährdet war, so beruht es auf Nachlässigkeit, wenn er Nachforschungen hinsichtlich solcher Umstände unterlässt, die seine Klage stützen können und sie erst nach negativem Ausgang des Rechtsstreits in erster Instanz anstellt.

III

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO und die Feststellung der Beschwer aus § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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